„Die Arbeitsproduktivität ist in letzter Instanz das Allerwichtigste, das Ausschlaggebende für den Sieg der neuen Gesellschaftsordnung.“ Wladimir I. Lenin

Heutzutage ist eine gewisse Fortschrittsfeindlichkeit im Bezug auf Technologie weit verbreitet, auch und gerade innerhalb der Linken. Doch nur durch technologischen Fortschritt und damit höherer Arbeitsproduktivität kann man mit immer weniger Arbeit immer mehr Reichtum schaffen. Wie Lenin richtig bemerkte, muss gerade eine neue Gesellschaftsordnung durch die höhere Arbeitsproduktivität ihre Überlegenheit beweisen.

Stellen wir uns einmal vor, eine sozialistische Gesellschaftsordnung wäre zwar von Gleichheit geprägt, der Fortschritt der Arbeitsproduktivität würde aber auf der Strecke bleiben, und wäre geringer als in konkurrierenden kapitalistischen Ländern. Binnen nicht allzu langer Zeit wäre es für die Kapitalisten leistbar, auch den ärmeren Mitgliedern der Gesellschaft einen höheren Lebensstandard als im Kapitalismus zu bieten. Genau das ist in der Zeit des kalten Krieges auch passiert, und genau das versuchen heutige sozialistische Länder wie China oder Vietnam zu vermeiden.

Warum gibt es aber innerhalb der Linken eine gewisse Skepsis gegenüber technologischem Fortschritt? Diese Tendenz gibt es schon recht lang, und sie reicht bis zu den Maschinenstürmern des 19. Jahrhunderts zurück, welche die Maschinen in ihren Fabriken zerstörten, da sie durch diese arbeitslos wurden. Genauso haben heutzutage Menschen vor selbstfahrenden Autos Angst, weil diese den Taxi-Fahrern die Arbeit kosten könnten. Natürlich können in diesem Beispiel Taxi-Fahrer auch eine andere Arbeit finden, aber was bleibt ist, dass eine gewisse Arbeitskraft durch das Wachstum der Arbeitsproduktivität befreit wurde. Was sind nun die möglichen Folgen davon?

Wenn durch technischen Fortschritt Arbeitskraft frei wird, sollte man annehmen, dass der Mensch dadurch weniger arbeiten muss, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Teilweise kann jedoch auch das Gegenteil der Fall sein: Dadurch, dass die freiwerdende Arbeitskraft am Arbeitsmarkt in Konkurrenz mit jener der anderen Arbeiter tritt, wird das Angebot an Arbeitskräften im Verhältnis zur Nachfrage höher, oder anders ausgedrückt, während die Zahl an Arbeitskräften gleich bleibt, sinkt auf Grund der Automatisierung der Bedarf an Arbeitskräften. Das Gesetz von Angebot und Nachfrage ist bekannt: Die Bezahlung der Arbeiter wird folglich sinken.

In diesem Kontext klingt technischer Fortschritt tatsächlich negativ, doch dies ist ein Trugschluss. In einem Land wie den USA, wo es keinerlei fortschrittliche Politik und ebenfalls keine schlagkräftige Gewerkschaften gibt, sind die Reallöhne zwar durch diesen Effekt gesunken, doch in Ländern und Zeiten mit Arbeiterbewegung, bedeutete der technische Fortschritt die Möglichkeit um zum Beispiel Arbeitszeitverkürzungen durchzusetzen. Das ist die Entwicklung, die wir bis in die 1970er sahen: Die Nachfrage nach Arbeitskräften sinkt zwar durch den technologischen Fortschritt, aber gleichzeitig sinkt das Angebot an Arbeitskräften durch die Arbeitszeitverkürzung. Der Lebensstandard steigt also.

Bedeutet das also, dass man die Arbeitszeit verkürzen muss, um den technologischen Fortschritt sinnvoll zu nutzen? Vielleicht, aber nicht unbedingt. In den nächsten Jahrzehnten wird die Anzahl an Arbeitskräften im Zuge einer natürlichen Entwicklung sowieso abnehmen, da ein immer größerer Anteil der Menschen in Pension ist. Somit ist das Produktivitätswachstum auch eine Lösung für diese Entwicklung. Alles in allem muss man sich allerdings die Frage stellen, im Interesse welcher Klasse ein Staat agiert.

Österreich ist ein kapitalistisches Land, die Regierung handelt also im Interesse der Kapitalisten. Diese haben ein Interesse an billigen Arbeitskräften. Die Herrschenden haben hierzulande kein Interesse daran, dass das Produktivitätswachstum der breiten Bevölkerung zu Gute kommt. Wenn man sich die Entwicklung der letzten Jahre anschaut, sieht man sogar, dass die Kapitalisten im Zuge der sogenannten Bestandserhaltungsmigration versucht, das Angebot an Arbeitskräfte zu erhöhen, um die Löhne niedrig zu halten. Was diese Entwicklung aber bewirkt, ist ein immer stärker werdender Klassenwiderspruch, der langfristig eine Chance zur Überwindung des kapitalistischen Systems darstellt.

Wie würde nun eine sozialistische Politik im Bezug auf die Arbeitsproduktivität ausschauen? Wie anfangs schon bemerkt, müsste der Fokus erst einmal darauf liegen, dass die Arbeitsproduktivität stärker wächst, als in kapitalistischen Ländern, wobei es durchaus einige Beispiele gibt, dass dies möglich ist. Dann könnte man als Regierung Schritte ergreifen, um diese höhere Arbeitsproduktivität positiv zu nutzen. Hier würden sich vielleicht einfach neue ökonomische Felder anbieten, in welche man Menschen beschäftigen könnte, um die Entwicklung der Menschheit noch weiter zu beschleunigen, z.B. durch die Schaffung neuer Stellen in der Wissenschaft, der Kunst oder dem Sozialbereich, oder man steigert die Lebensqualität der Menschheit wirklich einfach durch eine Senkung der Arbeitszeit. Was aber zentral bleiben muss ist, dass man den Fortschritt der Arbeitsproduktivität als Chance auf eine bessere Zukunft ansehen muss, und diese ein Gradmesser dafür ist, wie zukunftstauglich eine Gesellschaft ist.