„Jede Befreiungsbewegung verändert ihren Charakter, wenn sie von der Utopie zur Realität übergeht.“ – Karl Marx

Das was Marx hier ansprach, können leider viele angebliche Marxisten und sonstige Linke bis heute nicht erkennen. Man kann sich in seiner sicheren Stube immer ausdenken, wie eine bessere Welt laufen könnte. Dies in die Praxis umzusetzen ist aber doch ganz etwas anderes.

Hier gibt es einerseits den Faktor der politischen Gegner zu betrachten. Will man seine politischen Ideen umsetzen, wird es immer auch Leute geben, die sich gegen diese Ideen stellen, die gegen die jeweilige Bewegung Propaganda betreiben, Sabotage verüben, oder sonst wie versuchen einen an der Verwirklichung seiner Ziele zu hindern. Diese Gegner können einen in Situationen bringen, die man nicht voraussehen kann, und damit wird man wohl auch zu Maßnahmen gezwungen sein, die man sich in der Utopie so nicht ausgemalt hat.

Dann gibt es noch jene Menschen, die keine Gegner sind, aber doch gewisse Meinungsverschiedenheiten haben. Will man als Bewegung seine Maximalforderungen umsetzen, wird man diese Leute irgendwann tatsächlich zu Gegnern machen, also ist es klüger gesellschaftliche Kompromisse zu finden. Auch diese Kompromisse werden wohl schlussendlich bewirken, dass sich die Realität von der Utopie unterscheidet, und doch gibt es zu ihnen meist keinerlei praktikable Alternative.

Ein weiterer Faktor ist allgemein das menschliche Verhalten. Man kann menschliches Verhalten schlecht vorausberechnen. Viele Utopien gehen davon aus, dass Menschen absolut edel und vorbildhaft handeln, in der Realität schaut es anders aus. Hier kann menschliches Verhalten durchaus zu Problemen führen, und daher muss man die Fehlerhaftigkeit des Menschen bestmöglich einberechnen, gleichwohl im Kopf behaltend, dass es immer wieder Überraschungen geben wird.

Und schließlich gibt es auch noch sonstige Umstände, z.B. neue Erkenntnisse in der Wissenschaft oder ökonomische Entwicklungen. Dinge können immer anders kommen, als man denkt, und dessen muss man sich bewusst sein.

Was heißt das nun konkret? Viele Leute, die einer Utopie folgen, können nichts besser, als jene zu kritisieren, die eine Idee tatsächlich in die Realität umsetzen. Utopisten kritisieren zum Beispiel so ziemlich alles an sozialistischen Gesellschaften und meinen teils, dass es gar keine richtigen sozialistischen Gesellschaften seien, einfach, weil sie nicht der Utopie entsprechen. De facto ist das dann einfach eine komplette Abwesenheit von Solidarität.

Linke Utopisten gibt in allerlei Schattierungen. Es gibt Anarchisten, die eine Abschaffung der Gefängnisse fordern, eine Forderung, die bedeutet, dass Massenmörder, Kinderschänder und dergleichen frei gelassen werden sollen. Das alles nur, weil sie Gefängnisse und Kriminalität einfach schlecht finden, und meinen, man soll beschließen, dass es das alles nicht mehr gibt. Hier hat man es natürlich mit einer besonders naiven und kindlichen Form des Utopismus zu tun, aber Leute, die so etwas fordern existieren tatsächlich, so unglaublich das auch klingen mag.

Eine etwas weiter verbreitete Gruppe an Utopisten sind Leute, die Geld abschaffen wollen, was in ferner Zukunft, wenn wir eine Gesellschaft extremen Überflusses haben, wohl tatsächlich möglich ist, aber sie fordern diese Maßnahme jetzt, vor sich sehend, dass in geldlosen Umfeldern sofort neue Währungen entstehen, z.B. um auf das vorherige Beispiel zurückzugreifen Zigaretten in Gefängnissen.

Dann gibt es wiederum dogmatische Utopisten, also Leute, die ein Beispiel für eine Gesellschaft haben, die sie für ideal halten, und jede Abweichung davon verurteilen. Diese Gesellschaft kann real einmal existiert haben, oder nur in Büchern beschrieben worden sein. Die Linke ist voll mit Leuten, die behaupten, XY hat gesagt, dass…, und deshalb muss das auch so gemacht werden, und alle anderen sind böse, revisionistisch oder sonst etwas.

Eine richtige Linke hingegen muss sich bewusst sein, dass das, was wir uns heute ausdenken, so nicht unbedingt umsetzbar sein muss. Alles muss erst in der Praxis erprobt werden. Jene sozialistischen Bewegungen, die es so weit gebracht haben, dass sie linke Ideen tatsächlich in die Praxis umsetzen können, sollten erst einmal solidarisch unterstützt werden. Zudem sollten wir den real existierenden Sozialismus studieren, um zu sehen, auf welche Probleme man gestoßen ist, wie man diese Probleme gelöst hat, was man falsch gemacht hat, und was man richtig gemacht hat. Im Endeffekt ist es alleine die Realität die zählt, und an ihr muss man sich orientieren.